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Mirwais-Video „2016 – My Generation“: Mit 100 km/h durch die Allee der Ohnmacht

„2016 – My Generation“ ist der erste eigene Track vom französischen Produzenten Mirwais seit fast zwanzig Jahren. Das fünf Jahre alte, aktuelle Video zeigt Systemkritik und Zorn, bleibt aber im Pop-Zeitgeist hängen.

Mirwais. Foto: Stéphane Sednaouï.
Popkultur: Mirwais mit Che Guevara-Anstecker. Madonna lässt grüßen. Foto: Stéphane Sednaouï.

Mirwais ist ein französischer Produzent, der bekannt wurde, weil er vier Platten von Popstar Madonna produzieren durfte; auch zwei eigene Alben hat er rausgebracht, das wichtigste im Jahr 2000 („Production„). „Disco Science“ (5,8 Mio. Streams auf Spotify) ist sein größter Hit, aber was ihn wohl endgültig saniert haben dürfte, war, dass Madonna diesen Track in dem Film-Hit Snatch – Schweine und Diamanten des Regisseurs Guy Ritchie, ihres damaligen Mannes, unterbringen konnte.

In seinem neuen Song „2016 – My Generation“ klingt Mirwais nun wie die Chemical Brothers vor ein paar Jahren, 2016. Der Chor am Anfang ist etwas sehr lang, pathetisch und bedeutungsschwanger, mündet dann aber doch nach fast einer Minute in einen treibenden Bassgroove mit Synthesizer- und Talkbox/Vocoderflächen.

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Nichtsdestotrotz gefällt mir der Drive und die Sounds von „2016 – My Generation“ recht gut. Auch wenn es – wie beabsichtigt – etwas abgehangen nach 2016 klingt und sehr nach „Pop-Produktions-Olymp“. Mirwais hat halt einige dicke Hits für Madonna geschraubt. Und er war der erste, der einen „Electro Track“ mit Autotune-Vocals gemacht hat. Danke nochmal dafür. Nicht.

Hypnotische Rückfahrt durch eine Allee der (Ohn)Macht

Das Stück geht treibend nach vorne, doch im animierten Video zieht es einen hypnotisch aus der Szenerie heraus. Die Videosquenzen produzierte Ludovic Houplain/H5 nach der Idee von Mirwais: Der Film beginnt am Ende einer gesperrten Straße, und zeigt dann eine schnelle Rückwärtsfahrt auf einem Highway. Dieser ist links und rechts von unzähligen Machtsymbolen und Logos gesäumt. Auch auf den zahlreichen Brücken und Durchfahrten prangen die Zeichen. Es sollen um die 2000 in dem Video verteilt sein: Angefangen von Marken der Kunst und von Computer-, Internetkonzernen, über Politik und Religionen, bis hin zu Sex- und Pornobusiness und Finanzwesen. Das zeigt einerseits die Kapitalisierung von Ideen, andereseits die Inbesitznahme des öffentlichen Raums mit obzönen, aufdringlichen Werbetafeln und Logos: Seht her, diese Konzerne bestimmen euer Leben.

Rasantes Update vom Kurzfilm „Logorama“

Allerdings klammert das Video auch einige Bereiche/Symbole aus, wie Musikindustrie, Umweltorganisationen und Madonna. Sie hätte ich schon gerne dort am Straßenrand gesehen. Letztlich ist das Video ein rasendes Update von Houplains Oscar-prämierten Kurzfilm „Logorama“ von 2000, in dem er den Marken-Wahnsinn auf die Spitze treibt:

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Mirwais habe die Idee zum My Generation-Video im Jahre 2016 gehabt, ich vermute nach der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA. Das ist auch im Video thematisiert, interessiert heute, 2021 allerdings kaum noch. Und zuletzt wurde der Breakdown wegen Pandemie verzögert, bzw. verschoben. Irgendwie nehme ich das dem Produzenten genauso wenig ab, wie ich Madonna ihre Mirwais-produzierte Che Guevara-Fashion-Phase bei American Life nicht ernst genommen habe.

Regisseur Huplain sieht den Film so:

„Although they show the same content, 2016—My Generation is the antithesis of A Clockwork Orange. Where Alex, the hero of Kubrick’s film, directly experienced a continuous flow of images as a torture, fifty years later it has become a leisurely activity.“

Ludovic Houplain

Doch 2016/17 muss der gute Mirwais schon sehr ärgerlich und dystopisch gewesen sein, denn der Film endet mit dem Niederbrennen der gesamten Szenerie. Gestern allerdings war er sich auf Facebook nicht mehr so sicher: „Is a matchbox really a solution against digital philistines? (I’m hesitating)“

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