Für Berliner*innen ist es immer wieder schön, sich ihre Stadt auf Google Street View anzuschauen: Man kann viel entdecken was es nicht mehr gibt, denn die Bilder sind über 10 Jahre alt. Außerdem ist das Kamera-Auto damals im Sommer rumgefahren, also top Atmo. Die Bilder strahlen eine gewisse Ruhe aus, die Zeit scheint still geblieben zu sein. Viele hässliche Neubauten stehen noch nicht, einige gierige Projekte sind noch nicht realisiert, die Sommersonne strahlt. Gemütlich, lebendig und unaufgeräumt wirkt die Stadt: Es wurden damals einfach noch viele Ecken in Ruhe gelassen.
2008 scannte Google nur die 20 größten Städte Deutschlands – und seitdem nur einmal. Deswegen ist Deutschland auf der Street View Karte praktisch ein weißer Fleck – ebenso wie Bosnien Herzigowina, Serbien und Moldawien. Zudem wurden die Bilder seitdem nicht mehr aktualisiert. Denn ein deutscher datenschutzrechtlicher Sonderweg gab jedem Bürger*in das Recht, seine Adresse (Haus) von Google unkenntlich machen zu lassen.
Ein Riesenaufwand für Google, so entschloss man sich, nur die großen Städte zu „grabben“. Der Tech-Konzern war leicht angefressen, weil die Arbeit des Verpixelns nur durch zusätzliche 200 Menschen geschafft werden konnte, die nicht eingeplant waren und extra angestellt werden mussten. Gewinne, Gewinne, Gewinne!
Google schien vertrieben, besonders nachdem die Kreuzberger*innen den „Google Campus“ verhindern konnten (TAZ-Artikel). Das waren zwei Niederlagen für den Weltkonzern und man muss sagen, das hat Berlin wirklich nicht geschadet.
Wieder Autos unterwegs
Allerdings wurden letztens wieder Autos von Google Street View in Berlin und Strausberg gesichtet, und wie man lesen kann, fahren sie gerade nicht nur in Berlin rum, sondern in ganz Deutschland: Liste der Einsätze von Google Street View
Nach Auskunft von Google will man allerdings nur die Verkehrsnavigation verbessen und Straßenverläufe und Straßennamen scannen.
… Um dies zu schaffen müssen wir sicher gehen, die richtigen Straßennamen, Straßenschilder, Streckenführungen und Informationen über Geschäfte und andere Orte, die für euch von Interesse sind, zu verwenden. Deswegen werden wir ab dem 29. Juni 2020 die Fahrten durch weite Teile Deutschlands wieder aufnehmen.
Google
Skepsis ist angebracht
Google duzt seine Nutzer*innen zwar noch, hat aber den sympathischen Grundsatz „Don’t be evil“ aus dem Unternehmens-Verhaltenskodex 2018 herausgestrichen. Heißt: Business vor Business vor Business.
Für mich persönlich geht es nicht um Street View, es geht darum, diesem mächtigen Konzern seine Grenzen zu zeigen. Und natürlich glaube ich, dass die eingefahrenen Infos erstmal nur für Google Maps und seine Navigation verwendet werden. Aber das Street View-Material ist jetzt nun mal da, und es wird sicher nicht im Müll landen. Warum auch? Seit 2008 hat sich die Situation verändert, die meisten Menschen lassen sich von Techkonzernen inzwischen alternativlos in ihre Daten-Privatsphäre blicken. Und wenn die Europäische Datenschutzgrundverordnung in Kraft tritt, entfällt ein deutscher Alleingang wie 2010. Dann wären irische Behörden dafür zuständig (der Europa Hauptsitz von Google befindet sich in Irland), und die sind von Googles Arbeitsplätzen und lokalen Steuerzahlungen abhängig.