Die brasilianische Fusion-Jazz-Combo Azymuth hat nach Jahren wieder ein neues Album aufgenommen. Hauptsächlich verantwortlich dafür waren die Produzenten Adrian Younge und Ali Shaheed Muhammad mit ihrem Projekt „Jazz Is Dead“.
Azymuth gilt als eine der wichtigsten Bands des Fusion-Jazz der 70er Jahre neben Larry Coryell, Weather Report, Miles Davis und anderen. Sie verstanden es früh, Funk, Jazz, Rock und brasilianische Rhythmen zu einer neuen Musik zu kombinieren. So verhalfen sie dem in die Jahre gekommenen, verstaubtem Jazz neues Leben einzuhauchen.
Zudem eröffnete dieses musikalische Update dem Jazz, neue, junge Hörer zu gewinnen. Azymuth war außerdem eine sehr gefragte Studio/Session-Band, die vielen Alben berühmter Musiker wie z. B. Marcos Valle, Erasmo Carlos, Jorge Ben, Tim Maia, Erasmo Carlos, Rita Lee und Hyldon Leben einhauchte. Es lohnt sich auf jeden Fall, sich damit mal zu beschäftigen und dort reinzuhören.
In den 90er Jahren wiederentdeckt
Azymuth wurde Anfang der 90er Jahre von Produzenten Dancefloor-orientierter Clubmusik wiederentdeckt. Insbesondere in London in der aufblühenden Acid-Jazz-Szene wurde der Sound beliebt. Das ist in der Nachschau nur zu verständlich, war der Sound der meisten zu dieser Zeit aktuell produzierten Musik doch sehr kalt, maschinell und seelenlos, also noch ganz im Geiste der 80er Jahre. Azymuth war genau das Gegenteil. Hört man sich heute Aufnahmen von Flying Lotus, MF Doom, Madlip, Theo Parrish oder Jazzanova an, entdeckt man extrem viel Azymuth-Sound. Eigentlich in allen MPC-produzierten Hip-Hop Tracks der letzten Zeit.
Das neue Album der Reihe „Jazz Is Dead“ verknüpft nun die Erfahrung junger, schwarzer Produzenten aus der Hip-Hop-Szene mit der Erfahrung und der Spielfreude der alten „Recken“ Alex Malheiros (Bass), Ivan „Mamão“ Conti (Schlagzeug) und Kiko Continentinho am Synthesizer, der den 2012 verstorbenen Gründungs-Keyboarder José Roberto Bertrami ersetzte.
Anzugtragende Produzenten komprimieren hippieeske Spielfreude
Herausgekommen ist eine (instrumentale) Platte, die wie ein lässiger Soundtrack daherkommt. Die Musik hat den Soul und Funk der 70er Jahre aufgesogen, atmet aber den Bossa Nova. Dabei ist die Musik viel mehr auf den Punkt gebracht und komprimiert als frühe Aufnahmen der Combo. Und das ist sicher das Verdienst der Produzenten Adrian Younge und Ali Shaheed Muhammad.
Lustigerweise sehen die auf den Bildern der Studiosessions genauso aus wie die in den 60er Jahren auf der Stelle tretenden, konservativen Jazzer, die die Hippies von Azymuth eigentlich hinter sich gelassen hatten: Schnieke Anzüge in Tweed, Weste, Krawatten und schwere Hemden, während die Band in lässigen T-Shirts daherkommt. Sie haben’s halt nicht mehr nötig.
Lieblingstrack: Azymuth – „Sumarè“
Adrian Younge machte sich als Produzent einiger Alben im Retro-Sound der 70er Jahre („Venice Dawn EP„, „Something about April„) und Soundtracks („Black Dynamite„) einen Namen, danach produzierte er für viele Rap-Stars, u. a. Ghostface Killer, Bilal, Kendrick Lamar, Jay Z, Talib Kweli Tracks. So kam er auch mit Tribe Called Quests Ali Shaheed Muhammad in Kontakt, mit dem er den Score zur Netflix-Serie „Luke Cage“ schrieb. 2018 entstand aus der Zusammenarbeit das Projekt „The Midnight Hour„, das ein Album hervorbrachte und auch eine gemeinsame Tour. Seine Diskographie ist auf der Labelseite von „Art Don’t Sleep“ gelistet.
Die Platte mit Azymuth ist übrigens schon das vierte Album der Reihe „Jazz is Dead„: Bislang sind in diesem Jahr 2020 Alben mit Roy Ayers und Marcos Valle herausgekommen und eine Compilation. Aufnahmen mit dem Jazzer Dough Carn werden demnächst veröffentlicht. Übrigens: „Jazz is Dead“ stammt von einer Schlagzeile des Downbeat-Magazins zum Tode von John Coltrane 1967: „Jazz as We Know It Is Dead“.
Alles Weitere auf der Bandcamp-Seite des Projekts Jazz is Dead.