Neben der bekannten Ostalgie gibt es auch den Begriff der Berliner „Westalgie“. Bestes Beispiel: dieses „freche“, aber sexistische Werbesujet der Stadt West-Berlin.
Für Kultur, Vergnügen und das Feiern ohne Sperrstunde war Berlin schon in den 20er Jahren weltbekannt. Diesen Mythos wollte West-Berlin in den lähmenden Mauerjahren der 70er wieder beleben und mehr Menschen auf die „Insel im roten Meer“ locken. Der politische Status von Berlin war gerade einigermaßen stabil, auch das Reisen nach Berlin war geregelt, allerdings nervig, und für Touristen, die mit dem Feindbild UdSSR aufgewachsen sind, psychologisch schwierig. Das Verkehrsamt Berlin ging deshalb 1974 mit einer Plakat-Kampagne an die Öffentlichkeit.
Das Plakat transportiert u. a. das Bild von der „Insel der Freiheit“ – alles geht, feiern rund um die Uhr – zudem sollten die dargestellten, unterschiedlichen Typen die Offenheit und Vielfalt Berlins verkörpern. Alle Stärken der Stadt versammelte man auf einem Bild: Kultur, Party, Musik, Shopping und Prostitution Spaß.
Wie man sieht: Alle sind am Saufen!
Julia M. Novak und Thomas Beutelschmid formulieren es in einem Beitrag über die Ausstellung West:Berlin (2015), in der dieses Plakat hing, folgend:
Zum anderen ermöglichten die immensen Subventionen und relativ geringe ökonomische Zwänge, aber auch die aufgehobene Sperrstunde oder der fehlende Wehrdienst eine außergewöhnliche metropolitane Liberalität. Dieses Alleinstellungsmerkmal sorgte für eine starke Ausstrahlungskraft, machte die isolierte Teilstadt für Arbeitnehmer, Studenten, (Lebens-)Künstler und Touristen so attraktiv und erlaubte letztlich auch einer Außerparlamentarischen Opposition oder den späteren Alternativbewegungen öffentliche und private Freiräume für die individuelle und kollektive Selbstverwirklichung.
WEST:BERLIN – EINE INSEL AUF DER SUCHE NACH FESTLAND